4.47 Ein Flughafen in Esch

 

Zwischen 1937 und 1954 hatte Esch einen Flughafen. Esch hatte als erste Stadt regelmäßige Flugverbindungen mit dem Ausland anzubieten.

 

Eine Gruppe älterer Herren aus Esch mit dem selbstironischen Namen „Ammi“ (Aal Monni’en mat Iddi’en) gab 2003 ein schön illustriertes Buch bei Editions Le Phare heraus, das die Geschichte des Escher Flugfeldes ausführlich behandelt. Unsere Dokumentation stammt fast ganz aus diesem Buch, das in guten Buchhandlungen vielleicht noch zu haben ist.

 

Die Fliegerei hatte in Luxemburg 1909 ihren Anfang mit der Gründung des Aéro-Clubs genommen. Flugmeetings gab es ab 1910 in Bad Mondorf. 1929 wurde der Escher Aéro-Club gegründet, der ebenfalls Flugmeetings beim Lankelzerweiher organisierte. Der Ort hatte in der frühen Lokalgeschichte bereits eine Rolle gespielt als es Streit um Besitzrechte dieses Weihers gab, in dem Fischzucht betrieben wurde. Inzwischen ist er längst trocken gelegt. Im Lankelzer Viertel, das vor dem 2.Weltkrieg noch nicht besiedelt war, erinnert heute die rue de l’Aérodrôme und die Ecole de l’Aérodrôme an das Flugfeld. Am Meeting vom 6. Oktober 1935 gab es einen tödlichen Absturz, als der französische Dr. Feuillade und Kopilotin sich mit seiner Maschine bei einer „rase-motte“- Übung in einer Hochspannungsleitung verfing. Der Escher Aéro-Club löste sich daraufhin auf, doch wurde bereits einige Monate später der Aéro-Club du Bassin Minier gegründet sowie eine Kapitalgesellschaft für die Einrichtung und Ausbeutung des „Aérodrôme d’Esch-sur-Alzette“ mit Escher Geschäftsleuten wie Willi Buchholz, Alfred Reckinger und Jules Schreiner. Die Stadtverwaltung unterstützte das Projekt finanziell.

 

Die Hochspannungsleitungen wurden verlegt, das Feld entwässert und eine Flughalle von 24x14 Metern aufgebaut. Am 26. September 1937 wurde der Flughafen von der Großherzogin und dem Prinzen eingeweiht. Ab dem 1. April 1937 wurde der Flughafen, der vor allem sportlichen und touristischen Zwecken diente, auch regelmäßig von der mächtigen englischen Privatfluggesellschaft Olley-Air-Service angeflogen. Die Linie war Croydon-Esch-Croydon; Croydon ist ein Vorort von London. Es wurde auch eine Flugschule gegründet in der man für 4.000 F einen ersten Pilotenschein auf einem Walter-Doppeldecker mit einem 130 PS-Motor  machen konnte.

 

Wieso war es zu der Fluglinie Esch-London/Croydon gekommen? Erst einmal gab es den Findel noch nicht, der erst nach dem 2. Weltkrieg in Betrieb genommen wurde. Der Grund für die Linie des Olley-Air-Service hängt mit der Entwicklung des Radio-Senders RTL zusammen. Seit Dezember 1933 sendete RTL ein englischsprachiges Programm, das von einem gewissen Stephen Williams geleitet und angesagt wurde. Nun traf es sich, dass gemäß britischen Reglementierungen, die BBC am Wochenende keine Unterhaltungsprogramme ausstrahlen durfte. Da RTL hauptsächlich Unterhaltung, britischen Sport und Werbung anbot, wurde der Sender samstags und sonntags bald 20x mehr gehört als die BBC. Die Schallplatten mit zumeist leichter Musik mussten herangeschafft werden und das angebotene Musikprogramm musste auch aktuell sein. So wurden zweimal wöchentlich am Mittwoch und am Freitag der „Luxembourg Listener“ (der „Luxemburg Hörer“) eingesetzt, um die Schallplatten zu transportieren. Der Flug dauerte zweieinhalb Stunden. Hinter dem Ganzen stand auch noch die Londoner Werbeagentur „Wireless Publicity Ltd“. Als Passagiere flogen Industriemanager und Geschäftsleute mit. 

 

Der Luxembourg Listener war ein Flugzeug vom Typ D.H.89 Dragon Rapide, ein Doppeldecker von De Havilland. Neben dem Piloten konnte es maximal 8 Passagiere und Fracht befördern. Das Maximalgewicht waren 2.5 Tonnen und die normale Fluggeschwindigkeit betrug 210 Stundenkilometer. Die Maschine flog von London über Folkstone, den Ärmelkanal bei 2.200 m Höhe, Calais, Lille, Mons und die Ardennen nach Esch. Die De Havilland brauchte nur eine Rollbahnlänge von 265 m.

 

Das Flugfeld hatte auch ein fest gebautes Clubhaus mit Tower und Schenke bekommen. Der Wirt durfte seine Schafe auf dem Feld weiden lassen, damit war das Gras immer in gewünschter Höhe. Eine ökologische Mähmaschine, die auch noch Wolle und „gigots“ lieferte.

 

Die Fluglinie wurde mit dem Beginn des Weltkriegs unterbrochen. Es hatte bereits am 8. Oktober 1939, also 7 Monate vor der Invasion durch die Wehrmacht, während der „drôle de guerre“ einen Luftkampf über Esch gegeben, vermutlich zwischen britischen und deutschen Maschinen. Im Krieg wurde das Feld nur selten von deutschen Flugzeugen benutzt. Nach dem Krieg diente es den Amerikanern als Reparatur-air-base für leichte Aufklärungsfluzeuge vom Typ „Piper Cub“.

 

In der zweiten Hälfte der 40er Jahre wurden wieder Flugfeste organisiert und die Segelflieger entfalteten eine rege Aktivität. Ab 1950 gingen die Aktivitäten zurück. Am 1.1.1954 wurde jeglicher Flugbetrieb eingestellt und der Flughafen wich der neuen Urbanisierung auf Lankelz. Zur Orientierung: er erstreckte sich von der heutigen Cité Dr.Schaeftgen bis zur Ehleringer Strasse und von Wobrécken und den Nonnewisen bis zum Lankelzerbesch. Also das heutige Lankelzer Viertel mit Lallenger Lycée, Sporthallen, viel Wohnungsbau der 50ger und 60ger Jahre Autobahn, Sporthalle haben den Platz des Flugfeldes eingenommen. Lankelz ist heute gemäß der offiziellen Einteilung der Stadtvverwaltung eines der 17 Escher Viertel. Im Volksmund wird Lankelz meist als ein Teil Lalléngs  betrachtet, was aber historisch nicht stimmig ist. Der Teil von Lankelz, der nahe des Boulevard Grand-Duchesse Charlotte liegt, wird auch als Cinquantenaire bezeichnet. Offiziell liegt Lankelz zwischen der Monnericherstraße, dem Boulevard Charlotte und der „pénétrante de Lankelz“, die zu den Autobahnen führt.

© Copyright Frank Jost, Weitergabe gestattet nur mit Quellenangabe 

 

Download
4.47.pdf
Adobe Acrobat Dokument 49.8 KB