3.28 Die Metzerschmelz und die Brasseurschmelz

 werden gebaut

 

Wir haben in den früheren Kapiteln ausführlich darauf hingewiesen, dass die romantisierten Erklärungen der Entdeckung der Minette um die Personen von Jean Kersch, genannt Naué oder des Geometers Renaudin nicht glaubhaft sind. Die Herren der kleinen Hütten, die mit Rasenerzen betrieben wurden, wussten sehr wohl um die Existenz der Minette, doch sie hatten zweierlei Probleme damit: das Transportproblem (des Erzes und/oder der Kohle) und das Qualitätsproblem. Das Transportproblem war mit dem Bau der Eisenbahnen um 1860 gelöst. Das Qualitätsproblem blieb. Die Minette war weniger eisenhaltig als die Rasenerze und sie war zu phosphorhaltig. Am 18. August 1837 hatte Auguste Metz bereits auf der Tetingerheydt nach nicht- phosporischem Erz suchen lassen; er kannte also das Problem sehr wohl.

 

Die Gesellschaft von August Metz hatte schon 1850 eine Grube auf dem Katzenberg betrieben, dessen Erz er in Eich, in einer Mischung mit Erzen aus Mamer schmolz. Vor allem lieferte er über den Land- und Wasserweg 5000 Tonnen Minette an die Société des Forges de Sarrebruck, die vom belgischen Industriellen Victor Tesch in Burbach betrieben wurde. Mit der Eröffnung der Eisebahnen wurde nach Charleroi und Liège, nach Burbach, wo 3 Hochöfen brannten, geliefert sowie an die kleinen Hütten der luxemburgischen Industrie, die nahe an den Eisebahnlinien lagen: Eich (Gebrüder Metz), Hollerich (Gebr.Servais), Steinfort (Collart) und Colmar-Berg (Oranien). Diese kleinen Hütten fuhren jetzt vornehmlich mit Minette und Coke. 1867 bot sich folgendes Bild: In Luxemburg wurden 186.000 t Minette geschmolzen und 13.000 t Rasenerze. Nach Belgien wurden 217.000 und nach Deutschland 160.000 t exportiert. (Ungheuer, von Joseph Wagner zitiert). Nach 1878 wurde die letzte Rasenerzgrube Luxemburgs, die von Linger, geschlossen. 1870  hatten die kleinen Schmieden von Colmar-Berg, Lasauvage, Dommeldingen-Grünewald, Bissen, Berburg, Simmern, Fischbach und Grundhof bereits geschlossen.

 

Durch das Gesetz vom 15.3.1870 wollte die Kammer neue Minenkonzessionen nur denen geben, die damit Guss im Land produzieren wollten. Victor Tesch hatte neue Konzessionen verlangt, aber sein Werk stand an der Saar. Tesch erklärte sich bereit in Luxemburg zu investieren, wenn sein Burbacher Werk gleich den luxemburgischen behandelt würde. Damit war die Regierung einverstanden. Es hieß immer, dass es sinnvoller wäre die Kohle zum Erz zu bringen, denn die Ladung der Hochöfen verlangte im Verhältnis 3 t Erz für 1,2 t Coke. Der Historiker Jacques Maas, der an der Uni Luxemburg zur Geschichte der Stahlindustrie forscht und lehrt, streitet diese Sicht der Dinge wenigstens für die Anfangsphase der modernen Stahlindustrie ab, Victor Tesch und Norbert Metz brachten je zur Hälfte das Kapital von 3,7 Millionen Franken auf und erbauten die erste große Hütte Luxemburgs, auf dem erworbenen Areal des Berwartschlosses. Die vier Hochöfen wurden zwischen dem 10.10.1871 und dem 25.2.1873 angefahren und produzierten pro Ofen bis zu 75 t Guss täglich. Nachbesserungen erlaubten eine weitere Steigerung der Produktion.

 

Die neue Gesellschaft baute eine Kokerei in Haine-Saint-Paul, bei la Louvière, da die Kohle aus dem Borinage sich besser eignete als die saarländische. Koks ist Kohle, der ein Grossteil der Gase entzogen wurde. Die Kohle ist schwarz-glänzend, der Koks ist grau-matt. Kohle mit Erz zu vermischen wäre nicht möglich, da zuviel Gas im spiel wäre.

 

Ende 1869 hatte sich ein Konsortium von Aktionären zur Gründung der „Société Anonyme des Hauts Fourneaux Luxembourgeois“ unter der Führung von Pierre Brasseur-Würth zusammen gefunden. Es waren Lucien Richard aus Luxemburg, Théodore de Wacquant, der Arzt aus Foetz, Charles Simonis, Advokat aus Luxemburg und Léon Lamort, ein Industrieller aus Senningen, sowie 21 kleinere Aktionäre. Die Gesellschaft erwarb ein Gelände am anderen Ende der Stadt, nahe der französischen Grenze mit Flurnamen Barburg. Dort sollte die „Brasseurs Schmelz“ entstehen mit 2 Hochöfen mit 100 t Tagesproduktion. Die Ziegel, die zum Bau der Hütte gebraucht wurden, wurden Vorort gebrannt. Der Lehm stammt aus dem Gelände das der ERA vorgelagert ist, auf französischer Seite und in den Lehmgruben wurden 2 große Weiher angelegt, die heute noch rechts der Other Strasse bestehen. (Diese künstlichen Weiher sind nicht zu verwechseln mit dem trapezförmigen, großen ERA-Weiher der von einer eigenen Quelle, einem „puits artésien“ gespeist wird. Es wäre unbedingt angebracht diese Weiher, die eine Fläche von nahezu 8 Olympischen Schwimmbäder haben, zu sanieren und in ein Naherholungsgebiet ein zu bauen. Da könnte eine „Esch-plage“ entstehen, die ihren Namen verdienen würde. Sie liegen allerdings auf Other Boden; eine Zusammenarbeit mit den Gemeinden Audun und Russange wäre zu empfehlen.)

 

Die Arbeiten begannen im Mai 1870, doch gab es Startschwierigkeiten wegen des deutsch-französischen Krieges, der gerade ausgebrochen war. Die Kapitalmittel waren unzureichend und es musste immer wieder Geld nachgereicht werden. Die ersten Dividenden wurden erst 1884 ausgezahlt. In den 1890er Jahren kamen zwei weitere Hochöfen hinzu, später ein fünfter. Das Koks kam aus Belgien, das Erz wurde zuerst bei externen Unternehmen eingekauft, dann erwarb die Gesellschaft Minen auf der Gleicht, im Kamerberg (Oth), in Redingen, Öttingen und Algrange.

 

Die beiden Escher Hütten, die Metzer Schmelz (später Arbed-Esch-Schifflange) und die Brasseur Schmelz (später Terre Rouge) produzierten Guss, der noch weiterverarbeitet werden musste. Mit diesem Guss konnte man eine Reihe von Produkten in den Gießereien produzieren. Einen Teil der Produktion wurde an Betriebe weiterverkauft, die Puddlinganlagen besaßen. Das Puddling bestand darin, das Gusseisen reiner zu machen, d.h. vor allem den Kohlenstoffanteil zu senken. Die Escher Eisenindustrie war noch keine Stahlindustrie. Auf die Dauer war die Produktion von Halbprodukten nicht logisch und auch finanziell nicht tragbar. Die größten Gewinne wären mit Fertigprodukten zu machen gewesen. Dafür fehlten der jungen luxemburgischen Eisenindustrie noch das nötige Know-how und die nötigen Produktionsmittel. Zudem wurde eine enorme Quantität an Gas produziert, der kaum verwertet wurde. Überlegungen wie bei der heutigen Kiotoproblematik, die ja auf die Erwärmung der Atmosphäre reagiert, gab es damals überhaupt nicht. Wohl aber war man darauf bedacht, Nebenprodukte zu entwickeln, die die finanzielle Bilanz verbesserten. So wurden in der Metzer Schmelz Pflastersteine aus Schlacke hergestellt. Der größte Teil der Schlacke wurde aber nicht verwertet. So begann das Landschaftsbild um Esch sich zu verändern. Die gewachsenen Berge wurden durch den Erzabbau kleiner, im Tal entstanden neue Hügel, die Schlackenhalden. Für die Verwertung der Schlacke in der Landwirtschaft war es noch zu früh.

 

Die Gründung der beiden Hütten hatte aber sofort Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft des Landes. Stammten die meisten Anlagen aus englischer und belgischer Produktion (Cockerill, Withwell), so gab es durchaus auch luxemburgische Zulieferer: Kessel von Muller-Brück, den späteren Paul Würth- Werken, Rohre von Emile Dupret aus Bonneweg. Die kleinen Hochofenanlagen über Land hatten allerdings keine Überlebenschancen mehr. Die Entwicklung der Ortschaft Esch hingegen wurde explosionsartig vorangetrieben.

 

Bemerkenswert ist, dass der erste Anlauf der Eisenindustrie mit lokalem Kapital gemeistert wurde. Wohl war Victor Tesch Belgier, doch war er aus unter dem französischen Regime aus einer Familie aus Itzig in Messancy geboren worden. Tesch war zeitweise belgischer Justizminister und später Präsident des Société Générale de Belgique. Bald wird sich herausstellen, dass eine Verbesserung und ein Ausbau der Produktionsanlagen mit dem einheimischen Kapital nicht zu meistern war.

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