1.5. Ringen zwischen den Feudalherren

 

Esch ist schlecht gelegen an der Grenze zum Einflussgebiet der Herren von Bar, die erst Grafen, dann Herzöge waren (Bar-le-Duc), und bis zur Burgunderzeit zeitweise sehr mächtig wurden. Die Feudalzeit führte zu ständigen Austausch von Gebieten, zu neuen Belehnungen, zu Zweckheiraten der Fürstenkinder, zu Scharmützeln und Kriegen. Wer da dazwischen lag, hatte keinen Anspruch auf Ruhe und konnte sich kaum harmonisch entwickeln.

 

Um die Mitte des 13.Jahrhunderts spitzte sich ein Konflikt zwischen den Grafen von Luxemburg und denen von Bar zu, der größere und nachhaltige Auswirkungen auf die kleine Gegend um Esch haben wird.

 

Der Hintergrund ist folgender: 1231 hatte Thibaud II, Graf von Bar seine Tochter Marguerite mit dem Grafen von Luxemburg Heinrich II, dem Blonden verheiratet und dabei die Herrschaft von Ligny als Mitgift gegeben. Sie gehörte zum barischen Land. Die Bedingung war, dass diese Herrschaft keinem anderen Fürsten untergeordnet werden dürfe. 1265 fragte der Graf der Champagne, der auch König von Navarra war und der sich in Lothringen ausdehnen wollte, den Grafen von Luxemburg, „de lui prêter hommage pour Ligny“, also ihm Ligny unterzuordnen. Der Luxemburger sagte zu, was ein ziemlicher Affront gegen seinen Schwiegervater war. Thibaud wusste, dass sich der Champagner gerade mit dem König von England, Henry III schlug und löste einen Feudalkrieg aus. Was sich wohl die Tochter Marguerite von Bar dabei gedacht hatte, die zwischen Vater und Ehemann hin und her gerissen war ? Man sollte aber in dieser Sache vor allem nicht moralisieren, denn es hatte manche unfreundliche Manöver auf beiden Seiten gegeben. 1249 hatte der Graf von Bar einen Teil Düdelingens in der luxemburgischen Grafschaft erworben, darunter den Johannisberg, den er weiter ausbaute und befestigte. Er hatte also deutliche Gelüste, sich nach Norden aus zu dehnen.

 

Zu dieser Zeit entstand die Herrschaft Hüncheringen in enger Verbindung zu der von Rodemacher und materialisiert durch eine Wasserburg. Der Graf von Luxemburg, Heinrich der Blonde übergab 1255 seinem Neffen, Herzog Ferry III von Lothringen Teile der Orte Schifflingen und Russange. 1260 kam es zu einem Pakt zwischen Heinrich und Ferry. Als dann das Gemauschel zwischen dem Luxemburger und dem Champagner stattfand, löste Bar den militärischen Konflikt aus. Am 14.9.1266 kam es zur Schlacht in Prény bei Pont-à-Mousson. Arnold von Rodemacher fiel auf Luxemburger Seite, der Graf von Luxemburg kam in Gefangenschaft bis Mai 1267. 1268 sollte der König von Frankreich, Louis IX, später Saint Louis genannt, zwischen Bar und Luxemburg schlichten und mit seiner ganzen Autorität einen Friedensvertrag aufzwingen. Der Champagner konnte zwar Ligny behalten aber der Luxemburger zahlte 16.000 livres tournois dafür, dass sein Sohn und Ferry das barische Land in Schutt und Asche gelegt hatten.

 

Damit hatte sich König Louis in der Gegend als obersten Schiedsrichter aufgedrängt und dabei auch wohl seinen Einfluss etwas auf das Reichsgebiet ausgedehnt. (Damals sprach man von „regnum“, dem Einflussgebiet des französischen Königs, und vom „imperium“, dem Einflussgebiet des mittelalterlichen römischen Kaisers deutscher Nation, das bis Sizilien reichte aber nicht ganz stabil war.)  Seine Heiligsprechung ist nicht auf die Friedensstiftung zwischen Champagne, Bar, Lothringen und Luxemburg zurück zu führen, sondern auf seine Kreuzzüge. Auf einem solchen wird er in Tunis sterben.

 

In einer sehr kurzen Zeitspanne während dieses Konflikts entstanden mancherorts Wasserburgen in den Täler, die eine natürliche geographische Verbindung zwischen Bar und Luxemburg bilden: das Alzettetal, das Kaylbachtal, Düdelingen. Man sollte sich diese Wasserburgen als Türme vorstellen, die von einem Wassergraben umgeben waren. Es waren keine großartigen Bauwerke, sondern kleine militärischen Anlagen. Der Graf mochte kleine Edelmänner dazu angespornt haben, diese aufzurichten, wobei diese in den Genuss von Titeln kamen, die auch längst nicht immer großartig waren. Während einem halben Jahrhundert wird es sogar einen Herrn von Lallingen geben, der ging an einen Zolweraner. Der Graf nutzte seine Vogteirechte über die Echternacher Abtei aus, um den kleinen Herren, die in seinen Diensten standen, ein bisschen Land zu verschaffen. Die kleinen Herren sorgten dann ihrerseits dafür, den Abteibesitz Acker um Acker an zu knabbern.

 

Vor 1100 waren in der Grafschaft nur ungefähr 15 adelige Familien bekannt. Bis zum Ende des 13. Jahrhunderts war ihre Zahl auf wenigstens 60 angewachsen. Dieses Anwachsen war zurückzuführen auf die Aufspaltung der Familien wie auf die Herrenrechte, die auf ehemalige nichtadelige Beamte der Grafschaft verliehen wurden. Das so entstandene Rittertum wurde zu einer gesellschaftlichen Kraft. Als Beispiel für einen solchen sozialen Aufstieg  kann man den Peter von Aspelt nennen, der zum Erzbischof von Mainz aufstieg und so kurfürstliche Rechte bekam. Es kam in den größeren Ortschaften auch zu einer Erstarkung der neuen Bourgeoisie. Das trifft auf Esch wohl nicht zu. 

 

 

Noch eine andere Bewegung hatte Einfluss auf das Zeitgeschehen. Immer mehr Ortschaften in Lothringen  wurden zu Freiheiten gemäß dem Gesetz von Beaumont-en-Argonne (von 1182). Es handelte sich kaum um eine soziale Bewegung, in der die Bürger der Städte den Herren Rechte abrangen. Die Freiheiten waren sehr relativ, aber sie erlaubten eine gewisse Selbstverwaltung in Bering der Ortschaften, die Wahl eines mayeurs (Bürgermeister) mit Schöffen, das Erbrecht in der eigenen Familie. Die Zehntrechte blieben den Herren erhalten, so dass die Ländereien durchaus weiterhin Grundrenten erbrachten. Die Freiheitsrechte, die Herzog Ferry III den Schifflingern zugestand, entsprachen durchaus seiner Politik in Lothringen. Es musste aber noch nicht der Brauch in der Grafschaft Luxemburg gewesen sein und es gab keinen unbedingten Grund, dass der Luxemburg Graf dem Lothringer nachzog und den Eschern dieselbe Rechte einräumte. Es sei dann, er hatte Interesse daran, eine Feste entstehen zu lassen, die dem von Bar die Stirn bieten konnte und die die Escher Bürger verteidigen würden.

 

Setzte der Graf auf seine kleinen Vasallen um das Alzettetal abzuschirmen oder auf die Escher Bevölkerung ? Ließ er Türme bauen oder eine Feste ? Konnten die kleinen Wasserburgen in einem Feudalkrieg, in dem mächtige Grafen sich bekriegten, überhaupt standhalten oder waren sie nur führ eine kurze Zeitspanne strategisch sinnvoll ? Erlaubt es die Bevölkerungsdichte im oberen Alzettetal überhaupt einen konzentrischen, befestigten Flecken zu schaffen und wenn, von wann an war dies der Fall ?

 

Für die lange Zeit nach dem Zusammenbruch der Karolingerherrschaft und dem 13. Jahrhundert gibt es mehr Fragen als Antworten, was die Konsistenz der ehemaligen Villa Hesc anbelangt. Unter der Herrschaft der Gräfin Ermesinde gab es nur zwei Ortschaften, die den Namen Stadt hätten verdienen können: Luxemburg und Echternach. Sie erhielten auch 1236/38 für Echternach und 1244 für Luxemburg die Stadtrechte. Der Sohn Ermesindes, Heinrich der V. gab Thionville 1239 die Stadtrechte, denn er trug bereits den Titel „sire de Tyonville“. Als der zum Grafen wurde bekamen auch Grevenmacher (1252) und Bitburg (1262) ihren Freiheitsbrief.

 

 

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