1.8. 1311 - 1492 Freiheit, Stadt, Marktflecken oder Dorf?

 

Der historische Kontext in diesem langen Zeitabschnitt, der uns nur sehr wenige Escher Quellen hinterlassen hat, ist folgender: Johann der Blinde, der von 1313 bis zu seinem Tod, 1346, Graf von Luxemburg war, war eine bedeutende historische Figur und soll ja auch als luxemburgischer Nationalheld herhalten. Johann war König von Mähren mit der Hauptstadt Prag, kurzzeitig sogar König von Polen. Er war auf allen Schlachtfeldern u.a. in Norditalien an zu treffen. Doch seine eigentliche Familiendomäne konnte er nur schwer absichern. Esch blieb immer noch ein Grenzort, der unter den innerfranzösischen Machtkämpfen zu leiden hatte und nicht zuletzt unter der Rolle, die Johann in diesen Machtkämpfen einnimmt.

 

Es ist interessant an dieser Stelle ein bisschen auf die Figur von Johann von Luxemburg, Sohn und Vater von römischen Kaisern einzugehen. Es gibt ein vergriffenes, wissenschaftliches Werk von Michel Pauly über ihn, das in der Escher Stadtbibliothek vorhanden ist aber nicht ausgeliehen wird. Ausleihen kann man einen Roman von Lion Feuchtwanger „die hässliche Herzogin Margarete Maultasch“, in der Johann eine große Rolle spielt. Dieser Roman ist zu empfehlen, wenngleich es natürlich keine wissenschaftliche Schrift ist.

 

Johann wurde zum Teil auf französischen Höfen erzogen. Er sprach mit Sicherheit Deutsch und Französisch. Er war erst 17, als sein Vater, der Kaiser Heinrich VII. in Buonconvento starb. An seinem Königreich Böhmen war er kaum interessiert und er wurde von den Böhmern auch nicht adoptiert. Er schlug sich in Litauen, Polen, Italien und  in Frankreich gegen die Engländer. Er wollte die Kaiserkrone, doch die Kurfürsten hatten den Bayern Ludwig gewählt. Es gelang ihm nicht, diesen zu stürzen und so bereitete er die Herrschaft seines Sohnes Wenzel, dem späteren Kaiser Karl dem IV. vor. Das Bild des großen Ritters, der blind in seine letzte Schlacht von Crécy zog, hat sich in den Gedanken späterer Generationen festgesetzt, doch war Johann eher ein Diplomat, der zwischen dem Papst, dem König von Frankreich, dem Kaiser, des Habsburgern, den Königen von Polen und Ungarn lavierte. In Luxemburg wurde er zum Nationalhelden hochstilisiert. Nach dem 2. Weltkrieg überführte die neugegründete luxemburgische Armee die Gebeine Johanns in die Krypta der Kathedrale von Luxemburg. So liegt er näher bei der Schobermesse, die er am 20. Oktober 1340 gegründet hatte, denn Johann hatte durchaus einen Bezug zu seinen luxemburgischen Besitztümern gehabt.

 

Johanns Sohn, Karl der IV. wird als böhmischer König mit Hausnamen Luxemburg zum deutschen König und zum römischen Kaiser deutscher Nation gewählt werden. Vor der Karlsbrücke in Prag, die die Großseite mit der Kleinseite der goldenen Stadt verbindet, steht eine moderne Statue von ihm. Er regierte wirklich in Prag und interessiert sich nur wenig für die luxemburgische Grafschaft, was ihn nicht daran hinderte, sie 1354 zum Herzogtum zu erheben. Seine Nachfolger erweiterten das Land zu seiner größten Ausdehnung, liessen es aber verwalten und 1388 an Jost oder Jobst von Mähren verpfänden. Die Dynastie wird 1437 mit dem letzten Luxemburger Kaiser Sigismund aussterben, und die Erbin, Elisabeth von Görlitz, wird Luxemburg an den mächtigen und reichen Herzog von Burgund, Philippe le Bon für 700.000 Gulden verkaufen.

 

1443 kam es zu einem Streit zwischen dem Schwager von Wilhelm III von Sachsen, Ernest von Gleichen, und Elisabeth von Görlitz. Der Hintergrund ist nicht klar. Jedenfalls griff dieser Ernest Esch an und zerstörte es im September. Im November besetzte der Herzog von Burgund, Philippe le Bon, die Stadt. 1452 wütete eine Pestepidemie.

 

Philipp war ein mächtiger Fürst, eigentlich so mächtig wie ein König. Sein Einflussgebiet reichte von Flandern bis in die Schweitzer Gegend. Es war eine Art Neuerstehung des alten, fränkischen Lotharingiens. Die Burgunder lavierten zwischen den Habsburgern, den französischen Königen und den Engländern, die große Teile Frankreichs beherrschten. In der Geschichte ist es ein Interludium, das zum Absolutismus, der absoluten Königsmacht führen wird. Wir sind in der Zeit der Renaissance, Städte, Wissenschaften und Künste blühten auf. Eine neue Architekur entsteht. Die Burgunder haben sie hinterlassen in Bruges, in Brüssel, in Beaune und Dijon und sogar in Luxemburg-Stadt: das Stadthaus, heute großherzogliches Palais, zeugt davon. Das arme Esch hatte davon wohl kaum etwas mitgekriegt. In Flandern erstarkten die städtischen Bourgeoisien. Sie werden später nicht scheuen, sich zu erheben oder aber aus Handelsgründen eigene Allianzen zu flechten, zum Beispiel mit England.

 

Das große Reich Burgund wird nur zwei Könige lang halten. Philipps Nachfolger, Charles le Téméraire war ein schlechter Stratege und verlor seine wichtigsten Schlachten. Bei der letzten, vor Nancy am 5. Januar 1477, fiel er selber.  Nach seinem Tod wird seine Tochter Marie sich mit dem habsburgischen Erzherzog Maximilian verheiraten und sie brachte die Gebiete mit in die Heirat, die man später, die spanischen Niederlande nennen wird, Luxemburg inbegriffen. Aus der burgundischen Zeit wird es mehr Archivquellen geben.

 

 

Für das Jahr 1473 haben wir eine Volkszählung von Esch. Der Flecken zählte 49 Haushalte, Schifflingen deren 23. Das können nur wenige hundert Einwohner sein, selbst wenn nur die Haushalte gezählt wurden, die Steuern bezahlen können. Wahrlich keine brillante Stadt. Die Zeichen der Zeit sind an Esch vorbeigegangen.

 

1482 übergab Maximilian von Österreich die Herrschaft Berwart an den Gouverneur von Luxemburg, Christof, Markgraf von Baden. Unverständlich ist die Behauptung, die verschiedentlich auftaucht, Esch sei 1492 erneut von den Burgundern kontrolliert worden.

 

Zum Schluss der burgundischen Zeit kommt es immer wieder zu Kampfhandlungen um Esch. Der Kontext ist der Krieg zwischen dem französischen König und Maximilian von Österreich. 1495 blieben noch 16 Haushalte in Esch, die ganze Gegend war wie ausgestorben. 1501 gibt es aber wieder 51 Familien. Es bleibt ein Rätsel, wohin die Bevölkerung immer wieder verschwand. Soviel kann man verstehen: da die Escher ihre Mauern aus eigener Kraft nicht verteidigen konnten und sie nicht unbedingt Interesse daran hatten, sich für diese oder jene Partei zu entscheiden, verließen sie eher die Stadt , als darin zu verbrennen. Sie kehrten dann zurück, wenn die Lage sich beruhigt hatte. Das mag aber oft eher nach Monaten als nach Tagen der Fall gewesen sein. 

 

 

Was hat des Jahr 1492, mit dem dieses Kapitel abgeschlossen wird, mit der Geschichte von Esch zu tun? Eigentlich gar nichts. Im Jahr 1492 entdeckte der Genueser Cristoforo Colombo, auf einer Expedition, die vom spanischen Hof finanziert wurde, Amerika. Das Mittelalter war tot. Die Zeit der großen territorialen Königreiche war angebrochen. Die Kriege zwischen den Grafen wird es nicht mehr geben. Jetzt begannen die Kriege zwischen den Königreichen. Und Esch lag noch immer an der Grenze…

 

Die folgende Periode wurde gekennzeichnet von den Auseinandersetzungen zwischen den Königen von Frankreich und Spanien. Letztere besaßen das Territorium des heutigen Benelux.

 

 

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