1.14. Das neuerstandene Schloss Berwart und ein Versuch, kurz vor Ladenschluss, die Freiheit Esch zu vereinnahmen

 

Unter der französischen Herrschaft war der Einfluss des Landadels stark zurückgedrängt worden, viele Schlösser über Land waren zerstört worden, bürgerliche Elemente hatten mehr Einfluss gewonnen. Nicht so bei uns : Im Schloss von Berwart saß die Familie von Schauenburg, die es immer noch auf die Influenzgewinnung über Esch abgesehen hatte.

 

J.B. Weyrich veröffentlichte 1933 im Verlag der Studien-Kommission für die Geschichte der Stadt Esch eine ausführliche Schrift über Schloss und Schlossherrschaft Berwart, deren Lektüre recht viel Geduld erfordert. Baugeschichtliches ist darin kaum zu finden.

 

Es gab im Wesentlichen nur zwei Dynastien von Berwart. Die mittelalterliche stammte von ihren Begründern aus der Familie von Rodemack-Hüncheringen zum Schluss des 13. Jahrhunderts ab. Zur Mitte des 14. Jahrhunderts blieb von diesem Geschlecht nur ein Bastard Namens Johann übrig, dessen Erbrechte aber nicht gesichert waren. Die Herrschaft kam nach einigem hin und her in den Besitz der Herren von Brandenburg-Clerf. Am 13. Dezember 1515 verkaufte Georg von Brandenburg seiner Schwester und dessen Schwager Hans von Schauenburg Rentenrechte auf Berwart. Zu dieser Zeit waren Verkäufe oft eigentlich Pfandverschiebungen. Es ist eine recht verzwickte Geschichte. Die Burg war wohl uninteressant nicht aber die Einnahmen aus Monnerich und Ehleringen, sowie der Schlossmühlen die daran hingen. Es besteht eine Skizze der Ruinen von 1572, die in verschiedenen Werken abgedruckt ist und die auf einer recht präzisen Beschreibung beruht. Die von Schauenburg (oder Schauwenburg) sind unter anderem auch durch ihren Besitz in Bartringen bis heute bekannt. An der Herrschaft hing die Hochgerichtsbarkeit über Monnerich und Ehleringen.

 

Laut Weyrich baute 1763 Anton von Schauenburg eine großartige Schlossanlage. Der noch vorhandene Turm stammt allerdings schon aus dem Jahre 1721. Es hatte zwischen dem mittelalterlichen Turmbau und dem Schloss von 1763 bereits eine Schlossanlage gegeben, die nach verschiedenen Quellen 1621 errichtet worden wäre und eine Kapelle besaß, die manchmal in Texten erwähnt wird.

 

Das neue Schloss hatte nichts gemeinsam mit dem mittelalterlichen Bau. Die Familie von Schauenburg war begütert und baute im neoklassischen Stil der Zeit eine sehr schöne, harmonische, zweigeschossige Residenz, die keinerlei wehrhafte Funktion mehr hatte sondern ausschließlich dem Wohlbefinden und der Ausstrahlung ihrer Besitzer dienen sollte. Die Wassergräben, wenn es sie überhaupt gegeben hat, hatten eine ausschließlich dekorative Funktion. 34 Fenster schmückten die vordere Fassade, eben so viele die hintere. Im Ganzen waren es 80. Das Schloss barg 18 Räume im Erdgeschoss und 16 im ersten Stockwerk samt einer Kapelle. Die vordere Fassade zeigte zwei vorgeschobene Seitentürme auf gleicher Höhe mit dem Hauptgebäude und im  Mitteltrakt  einen leicht hervorstechenden Eingangbau mit Freitreppe und dreieckigem Tympanon im Dachgeschoss. Dieser Eingangbau war an der Hinterfront wiederholt. 1794 brannte das Schloss ab. Dann kam es nacheinander an 2 französische Besitzer Frémion, ein Militärarzt und Purnod. 1869 kaufte es die Gesellschaft der Gebrüder Metz, die im Bering die erste Hütte errichteten. Léon Metz und Hubert Muller-Tesch bewohnten das Schloss. 1905 brannte es wieder ab. Danach wurde es restauriert und um ein Stockwerk erhöht, was die ganze Harmonie des Baus zerstörte. Zwischen 1928 und 1955 stand es leer, dann wurde es abgerissen.

 

Der Standort war in etwa der des Forschungsgebäudes des ARBED, in der heute die « star up’s » untergebracht sind. Vorgelagert waren die Wirtschaftsgebäude in U-Form mit dem noch bestehenden Turm von 1721 als Eingang. Der beidseitige gläserne Umgang mit Hansaplastbedachung nimmt in etwa die Form der Wirtschaftsgebäude ein, außer dass diese eckig und nicht rund angelegt und, wie das Schloss zweigeschossig waren. Nach hinten blickte die Residenz über eine ausgedehnte Gartenanlage mit großem Weiher, der von der sehr starken Quelle gespeist wird. Selten verirrt ein Escher sich in diesen immer noch romantischen Bereich, der bald der neuen Urbanisierung Schlassgoard weichen wird.

 

***

 

Die finanzielle Macht der Schauenburgs und die Rolle, die sie in der Provinzialverwaltung spielten bewogen sie dazu, nach der Dominanz über den Flecken Esch zu greifen. Sie wollten die Gerichtsbarkeit an sich reißen. 1745 hatte Anton Joseph von Schauenburg Beschwerde an die Zentralregierung in Brüssel gegen das Escher Gericht eingereicht. Der procureur général de Traux schlug vor, die Sache gütlich zu regeln, da sehr hohe Gerichtskosten für beide Seiten in Aussicht standen. Die Escher hatten dann ihrerseits zwischen 1766 und 1771 Hoheitsrechte über Schloss und Mühle Berwart angemeldet.

 

Aus einem Bericht der Brüsseler Rechnungskammer vom 28. September 1792 geht hervor, dass Schauenburg die Freiheit Esch erwerben wollte. Da in Brüssel Geldnot herrschte, wurde der Vorschlag angenommen, nur sollte Schauenburgs Angebot, das offenbar bei 50 Gulden pro Haushalt lag, auf 60 Gulden hinauf getrieben werden. Ebenfalls sollte für die Bannmühle, die Landrechte, das Neuwlingsgut und den Weiher mehr gefragt werden, als Karl Ludwig Schauenburg geboten hatte. Die Veräußerung der Freiheit Esch war also ernsthaft erwogen worden. Das war ein starkes Stück, dass drei Jahre nach der Erstürmung der Bastille, als der französische König zwar noch offiziell auf dem Thron saß, ganz Europa aber bereits den Anbruch der neuen Zeit zu verspüren begann, eine städtische Freiheit zurück in adelige Hände gelangen sollte !

 

Dennoch sollte die französische Revolution den Verkauf vereiteln. Es ist ein Paradoxon, dass Esch nach der französischen Zeit nicht mehr als Stadt sondern als Dorf betrachtet wird. Erst 1906 wurden der Titel Stadt erneut vergeben. Ist das darauf zurück zu führen, dass seit 1792 eine Rechtsunsicherheit betreffend den Status von Esch bestand oder wurde so überlegt, dass Esch niemals eine „bonne ville“ war, die auch nicht in den „Etats“ der Provinz Luxemburg vertreten war anders als die kleinen Städtchen wie Diekirch, Bitburg, Arlon, Echternach, Grevenmacher oder Remich ? Der zweite Grund dürfte wohl entscheidend gewesen sein. Eine Freiheit war noch keine Stadt.

 

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