4.46 Bewegungen gegen Faschismus und Nazismus

 

Unzählig sind die luxemburgischen Publikationen über den zweiten Weltkrieg, über Kriegsgeschehnisse und Widerstand. Solche, die sich mit dem Widerstand von vor dem Einmarsch der Nazis befassen sind dünn gesät. Lange wehrten sich die Resistenzorganisationen dagegen, den Widerstand von vor 1940 anzuerkennen.  Erst nach er Jahrzweitausendwende wurde ein altes Gesetz abgeschafft, das die aus Luxemburg stammenden Freiwilligen der internationalen Brigaden in Spanien als Kriminelle abstempelte. Esch war ein Zentrum der antifaschistischen Bewegungen unterschiedlicher Herkunft wie die italienischen Antifaschisten, luxemburgische Mitglieder kritischer Organisationen und freiwillige Spanienkämpfer. Die Schilderung des italienischen antifaschistischen Widerstands in Esch entstammt einem Aufsatz von Henri Wehenkel der sinnigerweise in einer Huldigungschrift an Pater Benito Gallo publiziert wurde, als dieser nach Italien zurückkehrte,

 

Im Juni 1924 gab Staatsminister Reuter der Escher Gendarmerie den Auftrag, eine Veranstaltung anlässlich der Ermordung des Abgeordneten Matteotti am 10. Juni durch eine faschistische Phalanx zu überwachen. Er berief sich dabei auf eine Meldung der italienischen Legation und forderte die Repression, darunter Ausweisungen, wegen möglicher  Beleidigungen eines ausländischen Regierungschefs. Der Regierungschef, der gemeint war, hieß Benito Mussolini. Von da an informierte die Legation des faschistischen Italien in Esch den zuständigen luxemburgischen Minister Joseph Besch regelmäßig über die Ankunft  regimefeindlicher Italiener und der luxemburgische Minister stattete Bericht an die Legation, wenn etwa Ausweisungen erfolgt waren. Der Escher Polizeikommissar Reis arbeitete mit den französischen Kommissaren der politischen Polizei zusammen und lieferte seine Berichte direkt an die Regierung ab, obwohl er eigentlich dem Escher Bürgermeister unterstand. Von 1924 an wurden die Ausweisungen von italienischen Antifaschisten, Kommunisten und Anarchisten systematisch:  September 1924:14; Dezember 1924 bis Januar 1925: 32; Juli-August 1927: 31, November 1928: mehr als 50; Februar 1930: ungefähr 20.

 

Nach und nach verhärten sich die Fronten zwischen den italienischen Antifaschisten, vor allem Arbeiter und dem Escher Fascio (der Zelle der faschistischen Partei Mussolinis), der vorwiegend aus Unternehmern zusammengesetzt war und der nicht behelligt wurde. Beide Strömungen hatten auch ihre eigenen Organisationen für materielle Solidarität und Kultur. Auf der faschistischen Seite standen der Muteo Secorso und die Opera Bonomelli, die eng mit der katholischen Mission verbunden war, die Musikvereinigung Verdi, die Theatergruppe Amicizia. Auf der anderen Seite gab es die Solidaritätsorganisation Fratellenza, die Fanfare Garibaldina und die Theatergruppe Unione Drammatica. Der Escher „Fascio Abele Tiapago“, nach dem Sekretär der Opera Bonomelli benannt, der im Dezember 1925 umgelegt worden war,  versammelte sich im Café Fratini mit dem Missionar Chiodelli. Die Antifaschisten hatten die Wahl zwischen einer Reihe von Lokalen, die regelmäßig von der Polizei durchsucht wurden: Riccioni Guido/Mancini Antonio, Piccioni Sante, Bartocci Alphonse, Barnabei/Fleugel, Costantini, Witwe Solazzi-Romanelli, Passeri, Rossi, Gherardi, Negrini, Malano, Bruso-Nordari.

 

Bald sollte es zu harten Auseinandersetzungen kommen. Am 30. April 1929 wurde der Canceliere der italienischen Legation Afonso Arena von Gino d’Asciano umgelegt. Er hatte d’Asciano, einem politisch Verfolgten, dessen Schwager in Italien von den Faschisten umgebracht worden war und der bereits aus Frankreich und Belgien ausgewiesen worden war, verweigert einen Pass auszustellen. Auf den Schuster Emilio Sosio, auch ein politischer Emigrant, der aber das Lager gewechselt hatte, den Geistlichen Luigi Martinolli, ein Leiter der Opera Bonomelli, der Ingenieur Marino Fratini, Chef des Escher Fascio werden Attentate verübt.

 

Die Polizeiarchive von 1936 enthalten eine Liste von 70 italienischen Antifaschisten in Esch. Der Vertrieb verschiedener Zeitungen der italienischen Diaspora muss bedeutend gewesen sein. Auch konnten diese Kreise bei gewissen Gelegenheiten, wie etwa bei der Hinrichtung der Anarchisten Sacco und Vanzetti in den USA Demonstrationen von bis zu 1500 Personen organisieren.

 

Im Januar 1933 wurde Hitler in Berlin als Reichskanzler eingesetzt. Sehr schnell verbot er die Parteien und warf die politischen Gegner in Gefängnisse und KZ’s. Viele Menschen, die die Mittel dazu hatten, gingen ins Exil darunter auch die bedeutendsten Schriftsteller, wie Franz Werfel, Thomas und Heinrich Mann, Bertold Brecht. Thomas Manns Kinder, Erika und Klaus, ebenfalls Literaten, bildeten mit Freunden, darunter der später berühmten Schauspielerin Therese Ghiese, ein anspruchsvolles literarisches Kabarett, das durch die deutschsprachigen Länder und jene, wo Deutsch verstanden wurde, zog und vornehmlich das Hitlerregime als Zielscheibe hatte. Auf Einladung des Escher Volksbildungsvereins, der von Robert Stümper, Victor Robinet,.. animiert wurde, weilte „die Pfeffermühle“ - so hieß das Kabarett - mehrmals in Esch und trat im Hotel de la Poste (Kohn), das heute noch besteht, auf. Die Organisatoren dieser Kabarettabende hatten eine mulmige Passage mit unangenehmen Fragen bei der Gestapo zu erleiden, als die Nazis ihr Regime im Land eingerichtet hatten.

 

Am 6.Juni 1937 organisierte die Regierung ein nationales Referendum zum Ordnungsgesetz von Joseph Besch, das im Volksmund „Maulkorbgesetz“ genannt wurde und das die kommunistische Partei verbot und gewerkschaftliche Freiheiten einschränkte. Das Gesetz war schon durch die Kammer gegangen, doch wollte die Regierung  eine Bestätigung ihrer Politik, die doch zum Teil von den autoritären Regimen in Italien und Deutschland beeinflusst war, auch wenn das parlamentarische System nicht abgeschafft werden sollte. Sie war sicher das Referendum zu gewinnen. Das Gesetz gab Anlass zu intensiven politischen Auseinandersetzungen quer durch das Land. Esch war ein Zentrum des Widerstandes gegen das Maulkorbgesetz. Die „pédaleurs rouges“ aus Esch zogen durch die ländlichen Gegenden um die Landbevölkerung, die der Regierung eher günstig gesinnt war zu überzeugen, mit nein zu stimmen. Sie sangen auf die Weise eines alten patriotischen Liedes: „Lëtzebuerg de Lëtzebuerger – maacht dem Besch dach endlech Been - Lëtzebuerg de Lëtzbuerger – stëmmt de 6. Juni neeen!“ Das Maulkorbgesetz wurde knapp mit 50.67 % Neinstimmen abgelehnt. Die Escher hatten mit 72% nein gestimmt.

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