3.24 – Die Rivalität Bettemburg – Esch

 

Ein königlich-großherzoglicher Beschluss vom 14. Juli 1830, in Ausführung der neuen Gerichtsorganisation von 1827 hatte Esch zum Sitz des 4. Gerichtsbezirks bestimmt. Esch hätte somit ein Bezirksgericht bekommen, wie Luxemburg und Diekirch. Die belgische Revolution unterbrach aber die Durchführung des Beschlusses, so dass Esch bis heute nur ein Friedensgericht besitzt. Der neue Bau des Friedensgerichtes beim Norbert-Metzplatz hat daran nichts geändert.

 

Durch königlich-großherzoglichen Beschluss vom 12. Oktober 1841 wurde Esch Sitz des Kantons gleichen Namens, der aus Teilen der früheren Kantone Messancy und Bettemburg zusammengesetzt wurde. Am 23. November 1849 wurde der Deputiertenkammer ein Vorschlag eingereicht, den Hauptort des Kantons nach Bettemburg zu verlegen. Durch den Besuch des Prinzen Heinrich der Niederlande, wurde dieser Vorschlag geboren.

 

Der Escher Gemeinderat reagierte am 30. November 1849 mit einer Deliberation und einem Brief an die Kammer. Dieser Brief erinnert zuerst an die Geschichte der Kantonalen Einteilungen. Zuerst waren die Ortschaften des heutigen Kanton Esch am 14. fructidor des Jahres III unter die Kantone Hesperingen und Zolwer aufgeteilt worden. Im Jahre X hiessen die Hauptorte Bascharage und Bettemburg. Im Jahre XI ersetzte dann Messancy Bascharage als Hauptort des westlichen Kantons. Beim Friedensvertrag von 1839, als die frankophonen Teile Luxemburgs endgültig an Belgien fielen, musste die Kantonaleinteilung dann neu bestimmt werden, was zur Bildung des Kantons Esch im Jahre 1841 führte.

 

Der lange, aber sachliche Brief der Escher Gemeinde an die Deputiertenkammer bewies dann in detaillierten Ausführungen, dass Esch nicht nur der bevölkerungsreichste Ort des Kantons sei (mit 1469 Einwohner, 2117 in der Gemeinde, zu der damals noch Schifflingen gehörte), während Bettemburg nur 744 Einwohner zählte (1154 in der Gemeinde). Esch sei dazu genau im Zentrum des Kantons gelegen, so dass der Weg von den äußersten Ortschaften aus 3 ½ Stunden nicht überschreiten würde. Bis Bettemburg bräuchten etwa die Rodinger Einwohner viel zu lange. Auch seien die  Gerichtsverfahren so aufgeteilt, dass die „Gerichtszwängigen“ in ihrer Mehrzahl Vorteile hätten, nach Esch zur Verhandlung zu kommen. Außerdem sei Esch ein Geschäftszentrum für das gesamte Gebiet des Kantons, während Bettemburg ein bäuerlicher Ort sei. Im Übrigen wurde das Argument der Bettemburger damit widerlegt, sie seien günstiger an der neuen Dreikantonsstrasse gelegen, dass es von Steinbrücken eine Abzweigung dieser Strasse nach Esch gäbe.

 

Die Bettemburger konterten am 19. Januar 1851 in einem sehr polemischen Brief an die Kammer. Die Escher hatten argumentiert Kayl liege näher bei Esch als bei Bettemburg. Die Bettemburger: „Im Fluge wäre der Weg freilich kürzer;…Und was für ein Weg ? Nicht ein Meter Grundlage von Steinen; senkrechte Berge auf- und abzusteigen; enge, steile Wege und tiefe Schluchten, so dass kaum der verwegenste Mensch sich im Sommer dorthin wagt. …“ Gemeint ist der Kayler Pfad, der bei der Neudorfer Schule vorbeigeht und heute noch offiziell so heißt. Es folgen dann seitenlange Rechnungen über die Bevölkerungszahlen der Südortschaften, die Kilometer, die Wegbeschaffenheiten.

 

Jedenfalls blieb der Sitz des Kantons in Esch. Die Kantonsfrage hatte 50 Jahre später noch ein Nachspiel.

 

1899 legte der Bettemburger Hüttenherr und Abgeordnete Collart ein Gesetzesvorschlag im Parlament ein, das die Teilung des Kantons Esch vorschlug. Eine Nord-Süd-Linie zwischen Roedgen und Leudelingen, Wickringen und Abweiler, Bergem und Hüncheringen, Schifflingen und Nörtzingen, Esch und dem Kayltal. Der neue Kanton Bettemburg hätte demnach die Gemeinden Bettemburg, Roeser, Frisingen, Düdelingen, Kayl, Rümelingen und ein Teil der Gemeinde Leudelingen erfasst. Die Escher reagierten diesmal mit einem Protestschreiben, das die Form einer Petition hatte, und mit einer Deliberation des Gemeinderates vom 25. März 1899. Der Staatsrat gab ein positives Gutachten zum Gesetzesvorschlag Collart ab.

 

Am 21. Mai 1901 wurde der Vorschlag in der Deputiertenkammer mit 27 gegen 12 Stimmen und einer Enthaltung verworfen. Es blieb beim Kanton Esch mit seinen heutigen Ausmaßen.

 

Die neueste Entwicklung der Landesplanung, die das Land in Regionen einteilt, beachtet die Kantonalgrenzen nicht mehr. Es stimmt, dass der Kanton als Gebietseinteilung heute keine große Rolle mehr spielt. Laut dem IVL einem staatlichen Verkehrs-und Entwicklungsplan, besteht die „Region Süden“ aus 12 Gemeinden, die sich nicht mit den Gemeinden des Kantons decken. Westlich des Kantons stoßen die Gemeinden Bascharage und Küntzig, die zum Kanton Capellen gehören, zur Region Süden, während östlich die Gemeinden Frisingen und Roeser abgetrennt werden. Bettemburg gehört allemal zur Region Süden.

 

Die Bettemburger hatten sich auf einem anderen Gebiet als der Verwaltungseinteilung revanchiert. In wenigen Jahren, um das Jahr 1860 wurden die Luxemburger Eisenbahnen gebaut. Sie waren die Voraussetzung für die industrielle Entwicklung und vor allem für der Minen- und Eisenindustrie im Süden. Die wichtigste Linie lief von Luxemburg über Bettemburg nach Düdelingen und Diedenhofen. Bettemburg erhielt den wichtigsten Knotenpunkt nach Luxemburg-Stadt. Die Strecke wurde 1859 in Betrieb gesetzt. Am 23.4.1860 wurde die Strecke Esch-Bettemburg eingeweiht. 1884 kam die Strecke Bettemburg Dudelingen-Usine hinzu, 1899 die Schmalspurstrecke Luxemburg-Bettemburg-Aspelt, „de Jangeli“. Aus der Bettemburger Lokalgeschichte erfahren wir (Waringo), dass im Jahre 1921, 746 Leute bei der Eisenbahn in Bettemburg beschäftigt waren.

 

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